Hochsensibel und Hochbegabt als Teenager

Hochbegabt und hochsensibel als Teenager – im Gespräch mit Julia

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Hochbegabt und hochsensibel als Teenager

Julia ist eine 20-jährige junge Frau, die es innerhalb kürzester Zeit schafft, mit ihrer wundervollen offenen und sehr positiven Art jeden Raum für sich einzunehmen. In dieser Folge spricht Julia darüber, wie es sich anfühlt, hochbegabt und hochsensibel zu sein. Sie erklärt, warum eine Hochbegabung aus ihrer Sicht auch negative Aspekte mit sich bringt, welche Herausforderungen der Alltag bringt und wie sie ihre Teenagerzeit erlebt hat, vor allem, wie es in der Schule lief.

Hochbegabt und hochsensibel: „Manchmal habe ich mich schon anders gefühlt. Dinge, die andere toll fanden, habe ich gefürchtet.“

Dass Julia sich von Gleichaltrigen unterscheidet, fiel zunächst nicht auf. Ab der Grundschule bemerkte sie erste Unterschiede zu ihren Klassenkameraden. „Oft war ich erkältet und oft haben mir Leute gar nicht mehr geglaubt, dass ich krank bin“, erzählt Julia. 

Je älter sie wurde, desto auffälliger wurde es, dass die junge Frau etwas Besonderes war. Auf dem Gymnasium gab es dann eine Klasse für hochbegabte Schüler und Schülerinnen. Zu dem Zeitpunkt konnte Julia damit noch gar nichts anfangen. Sie soll hochbegabt sein? Never! Sie ließ sich teste, jedoch nicht das Ergebnis verraten und wurde in die Klasse für Hochbegabte versetzt. 

„Als ich noch relativ klein war, hab ich sehr begeistert Schränke mit Büchern aus- und wieder eingeräumt“, erinnert sich Julia. Sie konnte früh sprechen und verwendete komplexe Worte. Bis in die Grundschule hinein fühlte sich Julia nocht anders, nicht hochbegabt, weil sie weder vor Schuleintritt Lesen noch Schreiben konnte. Sie war auf demselben Stand, wie ihre Mitschüler es waren. 

Hochbegabt zeigt sich in der Schule 

Julia tanzt gern und geht seit der Grundschule regelmäßig in den Ballettunterricht. Zudem besuchte sie einen außerschulischen Englischkurs, sang im Chor und nahm an der Töpfer-AG teil. Viermal pro Woche kam Julia nach dem Balletttrainng spät nach Hause, machte Hausaufgaben und fiel müde ins Bett. 

„Ob das nun Über- oder Unterforderung war, machte keinen Unterschied, weil ich einfach nur müde war“, berichtet Julia im Interview. Natürlich gab es auch Zeit für Freundinnen und zum Spielen, aber durch die vielen Verpflichtungen außerhalb der Schule, kam es nie zu engen freundschaftlichen Beziehungen. 

Vor allem während ihres Tanzstudiums in London, wurde ihr klar, wie sehr sie Abwechslung braucht „Ich liebe das Tanzen über alles, aber dann war ich teilweise von 8:30 Uhr bis 22:00 Uhr dort und hab mich nur mit Tanz beschäftigt und dadurch, dass ich so viele Interessen hab, ist mir das dann irgendwie langweilig geworden. was schade ist.“ 

Julia kann sich nicht auf eine Sache fokussieren, weil sie einfach viel mehr Kapazitäten im Kopf frei hat, die sie füllen muss. Die Abwechslung und somit die geistige Auslastung ist für Julia sehr wichtig, weil sie sich sonst schnell langweilt. Das ist eines von vielen Merkmalen für Hochbegabung.

Hochbegabt und hochsensibel als Schülerin 

Bereits in der 6. Klasse stellten die Lehrer fest, wie viel Potenzial in Julia steckt. Sie schrieb während dem Unterricht Romane, lerne blitzschnell Vokabeln und erkannte sofort logische Zusammenhänge. 

„Um mich nicht zu langweilen und wenn ich in etwas gut bin, möchte ich da auch mitmachen, sonst ist es für mich Zeitverschwendung“, erklärt Julia. Insbesondere weil es für die Schülerin damals unverständlich war, dass ihre Mitschüler nicht in der Lage waren, sich ein paar Lateinvokabeln zu merken.

Julia hatte Spaß am Lernen. Sie arbeitete im Unterricht mit und wurde dann auch schnell als Streberin bezeichnet, was dazu führte, dass sie sich bewusst zurücknahm und ihren Intellekt drosselte. Julia spricht außerdem an, dass viel auch am Schulsystem selbst liegt, weil alles an den Leistungen gemessen wird. 

Entweder du bist gut oder du bist nicht so gut. Anhand dessen war es Julia völlig klar, dass einige ihrer Klassenkameraden sie ärgerten. „Es ist nicht durchweg positiv, hochbegabt zu sein und das wird oft nicht gesehen, weil es auch so positiv klingt. Aber man hat auf der anderen Seite auch mehr Kapazitäten sich Gedanken über Dinge zu machen, die vielleicht nicht so ‚denkenswert’ sind“, so die junge Frau. Welches witzige Beispiel sie erzählt, hörst du im Podcast. Fakt ist, dass hochbegabte Menschen schnell Strukturen in den verschiedensten Alltagshandlungen erkennen oder versuchen zu erkennen. Das führt zwangsläufig dazu, sich möglicherweise zu verrennen, weil es zu Überinterpretationen kommt. Das ist mitunter anstrengend, aber auch hilfreich, weil durchaus auch Verhaltensmuster bei Menschen gelesen werden können. Diese Begabung trifft nun auf die Hochsensibilität bei Julia, welche es ermöglicht auch sehr unterschwellige, zwischenmenschliche Stimmungen sehr intensiv wahrnehmen zu können.

Hochbegabt und hochsensibel: „Ich merke sofort, welche Stimmung im Raum ist, egal in welche Richtung die geht“

 

Genau das wird als hochsensibel bezeichnet. Dieser Begriff ist noch gar nicht so lange im Sprachgebrauch aber trifft auf mehr Menschen zu, als bisher vermutet.

Julia ist vorsichtig mit ihren Empfindungen und überlegt oft, ob sie die wahrgenommenen Stimmungen im Raum ansprechen oder lieber aushalten soll. Dazu kommt der Glaube, dass hochsensible Menschen sozial inkompetenter sind als nicht hochsensible Menschen. 

„Wenn ich in einer Gruppe Leute bin, analysiere ich zuerst, wer ist hier der Chef der Gruppe, was haben die für Funktionen. Wenn ich das mache und deswegen nicht so viel rede, kann das natürlich von außen als schüchtern, verstockt oder auch arrogant wirken“, erklärt Julia. 

Oft hielten Mitschüler sie auch für komisch, weil sie sich für ganz andere Themen interessierte, wie z.B.  Astrophysik oder die griechischen Götter. Damit setzte sich Julia nämlich schon in der 6. Klasse auseinander, weil es für sie einer Logik entsprach und sie faszinierte. Das hatte zur Folge, dass sie in der 8. Klasse bei Jugend forscht teilnahm und mit einer selbstgebauten Wasserrakete den 2. Platz belegte. 

Durchhalten und an einer Sache dran bleiben ist für Julia gar nicht so einfach. In all ihren Interessen und Vorhaben haben Julias Eltern sie immer unterstützt. Sie schrieb sich viele Dinge mit, sei es bei Schulausflügen oder in ihrer Freizeit. Alles Wissenswerte wurde notiert, wodurch sie viele Fakten und Details bis heute weiß. Zum Abschalten hörte Julia Kindergeschichten.

Hochgegabt und hochsensibel: „Es stellte sich heraus, dass ich eine schwerwiegende Lese-Rechtschreibschwäche habe“

Julia ist hochbegabt und trotzdem wurde in der 11. Klasse eine schwere Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) diagnostiziert. Wie passt das zusammen? Für Julia hat das nichts wirklich etwas miteinander zu tun, denn sie eignete sich viel Wissen hauptsächlich über Hörbücher, Dokumentarfilme oder auch Youtube an. 

Lesen war nie Julias Lieblingsbeschäftigung. In der Oberstufe bekam sie länger Zeit für Schulaufgaben. „Es waren immer Lehrer oder generell Menschen da, vor allem eher erwachsene Menschen, die mich da gefördert haben“, so Julia. Als Hochbegabtenklasse unternahmen wir viele Klassenreisen, bei denen anderen Klassen mitfuhren und so konnten klassenübergreifende Freundschaften entstehen. 

Das war manchmal schwierig, weil die Hochbegabtenklasse oft die Streber und somit Außenseitern waren, aber in der Oberstufe vermischte es sich neu. In der D-Klasse lernte Julia den selben Lernstoff, wie in den anderen Klassen, nur in kürzerer Zeit. 

„Wir hatten Enrichment. Das war so cool. Einmal im Monat sind wir zur Uni gefahren und in Vorlesungen gegangen“ berichtet Julia begeistert.  Da erklärten die Dozenten den D-Schülern z.B. Lasertechniken.  Hinzukommt, dass viele Projekttage für die D-Klasse in und außerhalb der Schule stattfanden.

Hochgegabt und hochsensibel: Ich wusste immer schon „irgendwas mit Theater“

Julias Plan für die Zeit nach dem Abi war lange gar nicht so klar. Sie hatte zwei Leidenschaften: Tanz und Medizin. Für beide Berufsbranchen bewarb sie sich. Julia absolvierte die Ausbildung in der erste Stufe im Sanitätsdienst und nahm zusätzlich an mehreren Aufnahmeprüfungen in Gesang, Tanz und Schauspiel teil. 

Julia war in beiden Berufsbereiche überdurchschnittlich gut und sehr engagiert. Sie war Regieassistentin beim Fack ju Göthe Musical  und merkte, dass Regie toll ist, aber es ihr fehlt, auf der Bühne zu stehen.

Julias Lern-Live-Hack: Ich lerne, indem ich mir meine Ziele vorstelle

„Wenn ich z.B. Französischvokabeln lernen soll, dann überlege ich mir: Warum lerne ich das? Und dann versuche ich mir den besten Grund zu überlegen (…). Ich nehme mir dann vor, dass ich später mal in Frankreich arbeiten kann oder dort leben kann. (…) Und dann begeistert mich das auch ziemlich, weil ich es cool finde, viele Sprachen zu sprechen“, erklärt Julia. Sonst nutzt Julia auch Vokabeltrainer und spricht die Worte immer und immer wieder nach. 

Ein weiterer Tipp von Julia ist, sich Hilfe zu holen. Frage die Menschen, die das, was du wissen möchtest oder lernen musst, schon wissen. Es ist wichtig, zu hinterfragen und dass du als Elternteil deinem Kind beibringst, dass Ziele im Leben wichtig sind, vor allem bei Lernen. Das ist bestimmt manchmal gar nicht so einfach, das einem Teenager zu verklickern, aber wenn dein Kind merkt, dass es Ziele im Leben braucht, wird Mathe zwar nicht plötzlich einfacher, aber möglicherweise schaffbar.

Hochbegabt und hochsensibel: Mein Leben in Boxen, aber nicht in Schubladen!

Julia teilt ihre Hochsensibilität und die Hochbegabung in  Boxen ein. Es gibt eine Hochbegabten-Box und eine Hochsensibiltät-Box und in beide soeriert Julia sich ein. Das hilft ihr, rein gedanklich, weil sie so weiß, dass sie nicht allein ist. 

Das bedeutet nicht, dass sie sich selbst in Schubladen packt und jedes Klischee erfüllt, die diese Boxen mit sich bringen. Aber es trifft auch auf Julia zu, wenn es heißt, dass hochsensible Menschen dieselben bestimmte Eigenschaften haben. 

Julia hasst laute Geräusche, steht nicht gern neben einem Feuerwerk, ihr wird schlecht beim Autofahren, sie wird schnell krank und leidet an Allergien. Aber durch ihr Box-Denken, weiß Julia, dass sie eine von vielen Betroffenen ist, die die Welt einfach intensiver wahrnehmen und das ist okay. 

Ihr größtes Learning daraus „Ich wusste schon immer dass ich Dinge mehr wahrnehme und mir mehr Gedanken mache, wenn jemand und das Wissen darüber hilft mir, weil ich eben nicht alleine und komisch bin“, weiß die junge Frau heute. So macht das Denken in Schubladen oder in Boxen durchaus Sinn. 

Durch Julias Hochsensibilität kann sie sich gut in Menschen hineinfühlen, wodurch sie geschätzt wird. Die Hochbegabung und das strukturierte Denken bringt die Rationalität in eine emotionale Situation. Eigentlich eine gute Mischung, gerade als Tröster, weil Julia so die Probleme anderer Menschen nachfühlen, aber auch lösungsorientiert agieren kann.

Die Menschen die einen kennen, akzeptieren dich so, wie du bist. Es ist wichtig, die Box als Hilfe zu sehen und dich nicht in eine Schublade zu stecken. 

Hochbegabte Menschen sind definitiv nicht Superman, vor allem auch nicht, wenn die Umwelt das denkt. Egal, ob hochintelligent, hochsensibel oder eben nicht, ist  es wichtig, den Menschen in deiner Umgebung zu zeigen, dass sie keine Angst vor dir haben müssen. Julias Ziel ist es, eine positive Botschaft in die Welt zu tragen. Tu das auch und sieh all deine Eigenschaften als Begabung, weil du niemals allein bist.

Inhalt/ Podcast: Kira Liebmann

Blogartikel: Susanne Hentschel

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